Go North -The Beast
Travel,  Vanlife

Auf dem Vildmarksvägen

12.08.2021: Unterwegs auf dem Vildmarksvägen

Wie ich im letzten Beitrag (Das Jämtland um Áre, Teil II) schon erwähnt habe, habe ich mich nach dem Trip zwischen Östersund und Norwegen aufgemacht, den Vildmarksvägen zu befahren.

In der Vergangenheit hatte ich bereits zwei Versuche unternommen, diese Straße einmal komplett zu befahren. Der erste Versuch scheiterte daran, dass das Stekenjokk, der höchste Punkt dieser Straße, noch gar nicht vom Schnee geräumt und daher nicht befahrbar war, der zweite Versuch daran, dass sintflutartige Regenfälle mir die Lust am Weiterfahren nahmen. Beide Versuche habe ich von Norden her, also über Vilhelmina, gestartet.

Dieses Mal ging ich den Versuch von Süden her an, über Strömsund. Strömsund liegt etwa 100 Kilometer nördlich von Östersund an der E 45.

…sie haben ihr Ziel erreicht…

Ich erreichte Strömsund am frühen Nachmittag und folgte dann dem Vildmarksvägen, bei bestem Wetter übrigens. Nach etwa 30 Kilometern erreichte ich einen Naturrastplatz am Flásjön, etwa auf Höhe des Dorfes Alanäs. Und da ohnehin gerade die richtige Zeit für eine Fika war, wurde dort eine Pause eingelegt.

Der Naturrastplatz, von denen es entlang des Vildmarksvägen einige gibt (nicht zu verwechseln mit Naturcampingplätzen), liegt etwas abseits der Straße direkt am Flásjön. Dort steht auch ein kleiner Verkaufskasten, in dem Marmelade, Säfte und andere Naturprodukte zum Verkauf angeboten werden. Ihr könnt selber entscheiden, wie viel ihr für die Produkte bezahlen möchtet.

Natürlich wollte ich ein Foto von diesem Platz machen, nur konnte ich meine Kamera nicht finden…

Beinahe im selben Augenblick fiel mir ein, wo die Kamera zu finden sein könnte.

Der Schock!

Was jetzt folgt, ist die Beschreibung einer Vermischung von Dummheit und Glück.

Am Tag zuvor, Donnerstag, hatten Sohnemann und ich auf dem Rastplatz bei Krokom seine Sachen wieder in sein Fahrzeug umgeladen. Danach hatte ich ein Foto von uns Beiden gemacht und dazu die Kamera auf einen Holzpfosten gelegt. Das Foto wurde gemacht, Kaffee getrunken und die Kamera vergessen!

Auf einen kurzen Moment des Ärgerns folgte die Suche nach Lösungen.

Ich hatte auf dem Rastplatz das Büro einer lokalen Firma gesehen. Also dort angerufen und tatsächlich war die Dame am Telefon bereit, zu der Stelle zu gehen, wo ich die Kamera vergessen hatte. Natürlich war die Kamera nicht mehr da, aber die Hoffnung stirbt bekannterweise ja zuletzt.

Was also tun? Strömsund ist zwar ein nettes Städtchen, aber nicht unbedingt der Nabel der Welt. Dort eine neue Kamera zu kaufen fiel daher aus. Natürlich hätte ich zunächst meine Fotos mit dem Handy oder dem Tablet machen können, aber ich bevorzuge nun mal eine „richtige“ Fotokamera. Und das Problem würde ja immer noch bestehen. Aber im äußersten Notfall hätte ich das natürlich getan.

„Glück“ gehabt!

Also blieb als eine der wenigen Optionen noch „Blocket“. „Blocket“ ist ( für die Uneingeweihten) so etwas wie das schwedische Ebay Marketplace im Kleinen. Und tatsächlich! Neben vielen anderen Kameras im ganzen Land wurde doch tatsächlich eine Kamera in Strömsund angeboten, eine Nikon D 3500. Sicher nicht das aktuellste Modell von Nikon, aber gut genug für mich. Und der geforderte Preis schien mir auch in Ordnung zu sein, natürlich würde ich noch etwas nachverhandeln 😉 … Also Kontakt mit der Verkäuferin aufgenommen. Innerhalb von Minuten erhielt ich eine Antwort. Treffen vereinbart, über den Preis geeinigt, und nach weniger als einer Stunde war ich im Besitz der Kamera, zwei Objektive und Zubehör inbegriffen!!

Um einige Kronen ärmer, aber dennoch zufrieden, fuhr ich wieder zurück zum bereits erwähnten Naturrastplatz. Da die Zeit nun doch schon etwas fortgeschritten war, entschied ich mich, die Nacht dort zu verbringen und am nächsten Morgen die Tour fortzusetzen.

Bei immer noch gutem Wetter ging es am Samstagmorgen dann weiter Richtung Gäddede. Gäddede ist ein größeres Dorf am Vildmarksvägen und der Ausgangspunkt für unseren geplanten Ausflug zum Hällingsåfallet.

Der Weg dorthin führt über eine etwa zwanzig Kilometer lange Schotterstrasse, die nicht besonders breit ist. Deshalb gibt es über die gesamte Strecke in sehr kurzen Abständen immer wieder Ausweichstellen, damit man einem entgegenkommenden Fahrzeug auch ausweichen kann. In der Mitte sind diese Schotterstrassen sehr fest, am Rand jedoch nicht. Es besteht Abrutschgefahr. Zudem war ein Großteil dieser Straße gerade erneuert worden, daher der Rand besonders locker.

Ignoranz oder Dummheit?

Es verwundert mich auch mittlerweile nicht mehr, wie viele Autofahrer:Innen die Dimensionen ihres Fahrzeuges nicht einschätzen können oder sich der Bedeutung und des Nutzens dieser „komischen Dellen“ am Strassenrand nicht bewusst sind. Vielleicht sind sie auch einfach nur ignorant. Es geschah daher, was geschehen musste:

Zugegeben, die Schotterstrasse war an dieser Stelle wirklich nicht besonders breit, etwa fünf Meter. „The Beast“ hat eine Breite von 2,12 Meter, plus Spiegel. Der Abstand von Strassenrand betrug etwa dreissig Zentimeter. Es blieb also für ein entgegenkommendes Fahrzeug nur sehr wenig Platz. Die nächste „komische Delle“ war etwa sechzig Meter entfernt und befand sich auf der linken Strassenseite, war also für den Gegenverkehr gedacht. Uns entgegen kommt ein großer SUV, mit einigem Tempo. Mittlerweile sind wir nur noch dreissig Meter von der „Delle“ entfernt und der SUV rauscht natürlich daran vorbei.

Damit hatte ich gerechnet und lasse die komplette Licht-Phalanx vom „Beast“ für einige Sekunden aufleuchten. Beinahe verzugslos erfolgte die Vollbremsung des SUV und der schmähliche langsame Rückzug in die Ausweichstelle. Warum erzähle ich das so ausführlich? Weil ich mir dieses mal ein freches Grinsen irgend wie nicht verkneifen konnte…und weil sich möglicherweise der Eine oder Andere einmal Gedanken über diese „komischen Dellen“ und deren Funktion macht.

Am Hällingsåfallet

Der Parkplatz am Hällingsåfallet war überfüllt, wir mussten tatsächlich einige Zeit warten, bis ein Platz frei wurde. Die meisten Besucher halten sich aber offenbar nur am Wasserfall selbst auf, so dass wir nach einigen Metern auf dem Wanderpfad in die Schlucht hinunter alleine waren.

Die Höhenangaben für den Hällingsåfallet geben bis zu 42 Meter an. Darüber muss ich mir irgend wann einmal Gedanken machen. Denn offiziell ist der Tännforsen mit 37 Metern der höchste Wasserfall in Schweden…

Der Hällingsåfallet fällt in eine tiefe Schlucht, deren Wände bis zu sechzig Meter hoch sind. Die Klamm selbst ist schmal und etwa 800 Meter lang. Über einen Pfad kann man bis zum Boden der Schlucht gelangen. Durch den Sprühnebel, den der Wasserfall verbreitet, gibt es in der Umgebung eine sehr interessante Vegetation. Überhaupt solltet ihr euch etwas Zeit mitbringen, um die Landschaft um den Hällingsåfallet zu erkunden. Es lohnt sich.

Die Rückfahrt nach Gäddede gestaltete sich dieses Mal problemlos und von dort aus ging es dann in Richtung Stekenjokk. Eine Fahrt von etwa neunzig Kilometern. Wir sind diese Strecke bewusst langsam gefahren, weil ich die Fjäll-Landschaft genießen wollte. Unterwegs kamen wir am Gaustafallet vorbei. Da für mich aber jetzt schon klar war, dass diese Tour über den Vildmarksvägen nicht die letzte gewesen sein wird, wurde der Gaustafallet auf die To-Do-Liste für das nächste Mal gesetzt. Ebenso wie der Bjurälven. Ein Fluss, der immer mal wieder unter die Erdoberfläche verschwindet und wieder hervorkommt.

Zementbunker?

Kurz vor dem Stekenjokk schlagen wir am sogenannten „Cementbunkern“ unser Lager für die Nacht auf. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf die umliegende Fjäll-Landschaft und auf die Stromschnellen in der Nähe. Dort wurde auch das Bild vom wunderschönen Sonnenuntergang gemacht.

Stekenjokk

Am nächsten Tag ging es weiter über den mit 876 Metern ö. h. höchsten Punkt des Vildmarkvägens und zum Stekenjokk. Die Passstrasse ist übrigens vom 15. Oktober bis Anfang Juni gesperrt. Für Alle, die trotz dem glauben, sie könnten es ja versuchen: Die Sperrung findet pünktlich statt. Wir überquerten auch die Länsgrenze Jämtland-Västerbotten. An dieser Grenze steht auch ein Schild mit eindeutigen Hinweisen.

Frei übersetzt steht darauf: „Dies ist eine Rentierweide! Nehmt Rücksicht <auf die Kälber und ihre Jungen>! Haltet Abstand und nähert euch nicht den Rentieren. Nehmt eure Hunde an die Leine“. Dieser Hinweis steht dort leider nicht umsonst. Der gesunde Menschenverstand setzt bei Vielen beim Anblick kleiner Rentiere offenbar aus. So sehr, dass die Ranger den Besuchern in dieser Saison nicht mehr den Ausstieg aus ihren Fahrzeugen erlaubten.

Fatmomakke

Nun gut, diese Gefahr bestand jetzt nicht mehr, es war nicht viel los. Außerdem setzte ein leichter Regen ein. Über Klimpfjäll führte der Weg weiter nach Fatmomakke, einem alten Samidorf. Ehrlich gesagt hatte ich mir von Fatmomakke nach all dem, was ich so über das Dorf gehört hatte, etwas mehr versprochen. Abgesehen von ein paar älteren Holzhäusern und einem kleinen Campingplatz gab es dort nicht viel zu sehen. Allerdings ist Fatmomakke ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen in das Marsfjället.

Aber vielleicht hängt mein nicht so guter Eindruck auch etwas davon ab, dass aus dem leichten Regen nun doch starker Dauerregen geworden war.

Dadurch wurde auch mein geplanter längerer Ausflug um die Trappstegsförsana (Trappsteg-Stromschnellen, Trapp=Treppe, Stiege) nur ein kurzer von etwa dreißig Minuten.

Nackte Männer

Über Saxnäs fuhren wir langsam weiter in Richtung „Ausgang“ des Vildmarkvägen. Unterwegs, etwa auf Höhe des Dorfes Rönnäs, fiel mir plötzlich ein völlig nackter Mann auf, der mitten in einem kleinen Fluss saß. Beim Näherkommen stellte sich jedoch heraus, dass er Erstens nicht völlig nackt war, Zweitens noch eine Geige spielte und Drittens eine Holzfigur war.

Diese Figuren nennt man „Näcken i bäcken“, heisst etwa „Nackter im Bach“. Man findet sie an mehreren Orten in Schweden. Ich habe bisher mindestens drei gesehen.

Mit dem Erreichen von Vilhelmina ging dann die Tour über den Vildmarksvägen 2021 auch schon wieder zu Ende. Fest steht aber schon jetzt, dass es eine weitere geben wird. Die werde ich dann nutzen, um auch etwas weiter abseits gelegene Orte aufzusuchen.

Leave a Reply

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert